Die Standeskluft zwischen den beiden Hauptfiguren wird vor allem unüberbrückbar spürbar, als Ragald vom Dienst als Knappe mit einer Braut heimkehrt. Den ganzen Roman über wird von ihnen nie auch nur die Möglichkeit einer Verbindung angesprochen, die über Freundschaft hinausgehen könnte.
Freundschaft über Standesgrenzen
Als Ragald in der Ferne als vermisst gemeldet wird, eilt Gunid ihm zu Hilfe und riskiert dabei als schollenflüchtige Bauernmagd alles, was ihr lieb und teuer ist. Sie wird wieder eingefangen und darf dann mit offizieller Erlaubnis doch noch nach Ragald suchen. Aber hier offenbart sich noch einmal, wie tiefgreifend die Standeskluft sich auf die beiden Hauptcharaktere auswirkt. Gunid ist bereit, ihr Leben für Ragald zu geben, ist ihm aber dennoch nicht ebenbürtig.
Stärke durch Authentizität
Die Stärke des Romans ist, dass die Charaktere authentisch sind. Sie sind Kinder ihrer Welt, hier gibt es keine Emanzipation, keine übermäßige Übertretung der ihnen anerzogenen Grenzen dieser Zeit. Gunid und Ragald reagieren und kämpfen im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Sie kommen normal rüber und nicht als Held*innen, die plötzlich übernatürliche Kräfte entwickeln, um Schwierigkeiten zu meistern. Sie brechen nie in unpassenden Verhaltensweisen aus.
Die Charaktere sind schlüssig und verhalten sich glaubwürdig. Gunid überwindet große Entbehrungen auf der Suche nach Ragald und der anschließenden Reise, die weit jenseits ihres Horizonts liegt. Und Ragald ist kein strahlender Held auf einem weißen Ross, sondern der historisch ziemlich genau beschriebene Ritter; ein Profisoldat, ein Elitekämpfer, der sich seines Standes bewusst ist, natürlich auch weiß, dass er nicht unverletzlich ist und der menschlichen Emotionen und Bedürfnisse hat wie jeder andere.
Unmögliche Liebe
Obwohl Gunid sich ihrer Liebe zu Ragald sehr bewusst wird, hat Ragald die meiste Zeit keine Ahnung und ist etwas schwer von Begriff. Seine Frau ist die einzige andere Person, die die Beziehung zwischen Gunid und Ragald durchschaut. Sie ist auch diejenige, die Gunid eine Reiseerlaubnis ausstellt und sie ziehen lässt, um nach Ragald zu suchen. Sie begreift nämlich, dass dieses Bauernmädchen Himmel und Erde in Bewegung setzen wird, um wieder mit Ragald vereint zu sein.
„Wäre die Welt mein, ich gäbe sie mit Freuden, um an seiner Seite zu sein!“
Eindruck
Der Roman ist sehr gut, authentisch und flüssig geschrieben. Der Perspektivwechsel zwischen Gunid und Ragald macht alles spannender. Auch von der Sprache her ist der Schreibstil wenig modern, sondern der Autor nutzt viele mittelalterliche Ausdrücke. Sodass man richtig Spaß beim Lesen hat.
Das Setting stimmt und das Tempo, die Szenenwechsel sind gemächlich und der Autor verzichtet auf übertriebene Actionszenen oder übermäßiges erotisches Knistern. Man kann sehr gut die Gefühlswelt der Charaktere miterleben.
Das trägt dazu bei, dass die Figuren und die Welt, in der sie agieren, glaubwürdig sind. Die Spannung wird die ganze Zeit über aufgebaut, sodass man im letzten Drittel schon mit jeder Seite mitfiebert, um zu erfahren, wie das Abenteuer ausgeht.
Fantasy kommt nicht zu kurz
Obwohl das Buch mittelalterlich sehr akkurat ist, kommt auch die phantastische Seite gut zum Tragen und fügt sich wie selbstverständlich ein. Zauberer sind menschlich und treten als Respektpersonen auf. Der Autor vermeidet die Erklärungen der phantastischen Elemente. Die übernatürlichen Erscheinungen, mit denen sich die Protagonisten auseinandersetzen müssen und denen diese rätselhaft sind, dürfen auch den Leser*innen rätselhaft bleiben.
Fazit
Alles in allem ist dieses Buch eine Lesefreude und sehr zu empfehlen. Ich freue mich bereits auf die weiteren Teile der trilogie, da ich unbedingt die Fortsetzung der Geschichte erleben will.
Das Produkt wurde kostenlos für die Besprechung zur Verfügung gestellt.